Dorfgedächtnis, „En Schoster in de Lappegass“

Schuhmachermeister Adolf Thürmer oder „En Schoster in de Lappegass“
Der heimatvertriebene Schuhmachermeister Adolf Thürmer hatte von 1947-1954 in „Lotze“ in der „Lappegass“ seine Werkstatt.

Diese befand sich im Erdgeschoss links neben der Haustür. Ein Schaukasten an der linken Haushälfte, machte auf die Werkstatt aufmerksam. Sie bestand aus zwei Räumen. Zur „Lappegass“ hin befand sich die ca. 12 qm große Werkstatt, die auch als Küche und Aufenthaltsraum diente. Dahinter befand sich ein kleines Schlafzimmer (ca. 7 qm), das von seinem Sohn Adolf (Dolfi) und dem Gesellen Albert Wagner genutzt wurde. Der Schuhmachermeister Thürmer selber wohnte auf dem Dachboden von „Drabbe“ (Fam.
Klitsch), ebenfalls „Lappegass“.
In der Werkstatt arbeiteten der Meister Adolf Thürmer und der Geselle Albert Wagner. Im April 1948 begann zudem Walter Möller („Backheiches“) seine Lehre als Schuhmacher, die er 1951 mit der Gesellenprüfung erfolgreich abschloss. Die Ausrüstung mit Werkzeugen war sehr bescheiden. Manche Arbeiten mussten deshalb an andere Betriebe weitergegeben und dort erledigt werden.
Reichtum konnte auf diese Weise nicht aufgehäuft werden. Dafür aber hatte die Werkstatt im Laufe der Zeit eine wichtige soziale Funktion übernommen. Sie war zu einem beliebten Treffpunkt der Heimatvertriebenen geworden, die hier nicht nur die neuesten Dorfnachrichten austauschten, sondern auch so manches Problem besprachen oder gar kulturelle Veranstaltungen planten.
Walter Möller, der ehemalige Lehrling, weiß zu berichten, dass sein etwa 70-jähriger Meister trotz seiner schlechten Ausrüstung ein Könner seines Faches war. Nichtsdestotrotz war der erst kurz zuvor aus seiner Heimat vertriebene Thürmer sehr arm. Das war letztlich auch der Grund, warum er ihm, dem Lehrjungen, keinerlei Lohn zahlen konnte. Vielmehr konnte man in dem einfachen Schlafgemach seines Meisters durch das Ziegeldach den Himmel sehen. Das wusste Möller, weil es zu den Aufgaben des Lehrbuben gehörte, jeden Morgen auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle seinen Meister erst zu wecken, bevor er sich an die Arbeit machen konnte. Diese bestand hauptsächlich darin, Schuhe zu reparieren und auszuliefern. Maßschuhe herzustellen, war dagegen in erster Linie die Arbeit des Meisters. Als Gesellenstück fertigte Möller schließlich ein Paar Herrenschuhe für seinen Vater an. Nach seiner Prüfung gab es dann bald wegen billiger Importschuhe aus Italien für den jungen Gesellen nicht mehr genug Arbeit und er musste sich beruflich umorientieren. Dennoch spricht Möller nicht nur von seinem alten Meister voller Hochachtung. Auch andere Heimatvertriebene, denen er in der Werkstatt begegnete, ‚brachten Kultur mit‘, wie er sich ausdrückte. Die meisten waren gebildete und fleißige Leute, die das Leben in Großenlüder bereicherten. Meister Thürmer konnte aber auch mit derberer Werkstattsprache aufwarten. Einer seiner Sprüche ist dem ehemaligen Lehrjungen noch in lebendiger Erinnerung: „Will der Schuster Leder weichen, muss die Frau in Eimer seichen.“ Text: Michael Michel

Kultur,- Heimat- und Geschichtsverein der Gemeinde Großenlüder e.V.
Thomas Mohr, Tel. 8544, thmohr@online.de
Klaus Schmitt, Tel. 8241, vkschmitt@web.de
Andreas Ruhl, Tel 620110, andreasruhl@gmx.net

Oder jeden Montag von 10 bis 12 Uhr im Heimatmuseum, Tel. 9110350

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