Dorfgedächtnis, Der „Beutezug” – Kindheitserinnerungen von Walter Möller –

Der „Beutezug”
– Kindheitserinnerungen von Walter Möller –

Walter Möller („Backheiches“ Walter) erinnert sich noch wie heute an eine Begebenheit aus dem Jahr 1945. Es war kurz vor Ostern, und der Rückzug der deutschen Armee näherte sich seinem Ende. Nur noch vereinzelt zogen Wehrmachtsfahrzeuge oder versprengte Soldaten durch Großenlüder. Und die Amerikaner ließen noch auf sich warten. Mit einem Male fehlte die Ordnungsmacht. Es entstand gewissermaßen ein Machtvakuum. In Windeseile hatte sich deshalb herumgesprochen, dass es im ehemaligen KLV-Lager (ursprünglich gebaut zur Kinderlandverschickung, dann aber zu den unterschiedlichsten Zwecken genutzt) am Erbigsweg „was“ zu holen war.
Aus diesem Grund sagte der Nachbar zu dem 11-jährigen Walter: „Jong, spann emo de Keh viern Leiterwoar, mir foan bei de Baracke, do gits ebbes zo hole.“ Sie machten sich also mit dem Gespann auf den Weg und tatsächlich, es gab Allerlei aufzuladen, was ihnen wertvoll erschien. Voll beladen mit Bettgestellen, Matratzen, Schränken, Essgeschirr und dergleichen – und voller Freude über die „Beute“ ging es schließlich zurück in die Hintergasse 40, heute Mittelstraße. Leider sollte die Freude nur eine kurze Halbwertszeit haben, denn Pfarrer Ruez war zu Ohren gekommen, dass das KLV-Lager geplündert worden sei. Dementsprechend standen im Mittelpunkt seiner Sonntagspredigt – es muss am Palmsonntag gewesen sein – zum einen die schwierige und ungewisse Zeit, mit der man sich in diesen Tagen konfrontiert sah, und zum anderen die Ermahnung, dass alle zu Unrecht entwendeten Gegenstände selbstverständlich ins Lager zurückzubringen seien. Ansonsten müsse mit einer Bestrafung gerechnet werden.
So kam es, wie es kommen musste: Am Montagmorgen sprach der Nachbar, ein „braver“ Kirchgänger, den Jungen erneut an: „Jong, spann noch emo oh, es get bei de Baracke, mir lode widder ob. Du host de Poarr gehoat.“ Gesagt, getan. Schweren Herzens brachten sie alles wieder zurück und entlasteten so ihr schlechtes Gewissen. Ärgerlich nur, dass schon wenige Tage später die Baracke samt Diebesgut in Flammen stand…

Großenlüder in Vergangenheit und Gegenwart
Unterstützen Sie uns bitte bei unserer Arbeit! Alte Fotos und Geschichten sind wichtige Zeitzeugnisse.
Stellen Sie deshalb Ihre alten Bilder zur Verfügung und erzählen Sie uns Ihre Geschichte(n)!
Ihr Eigentum bekommen Sie selbstverständlich wieder wohlbehalten zurück.

Kultur-, Heimat- und Geschichtsverein der Gemeinde Großenlüder e.V.
Redaktion: Thomas Mohr, Tel. 06648/8544 / Michael Michel, Tel. 06648/8848
Oder jeden Montag von 10 bis 12 Uhr im Heimatmuseum, Tel. 9110350
Repro: Hubert Brähler

/ Dorfgedächtnis / Tags: ,