Tödlicher Leichtsinn – Nach den Aufzeichnungen von Gerhard Dietrich –


Tödlicher Leichtsinn
– Nach den Aufzeichnungen von Gerhard Dietrich –

Nachdem es schon im Frühjahr 1896 in Eichenau beim Hantieren mit einem Vorderlader zu einem Unfall mit Todesfolge gekommen war, sollte im Jahr darauf in unserem Dorf eine noch verhängnisvollere Tragödie ihren Lauf nehmen: Der Maurer Josef Sippel, er stammte aus dem Haus Nr. 90 ½(Hausname „Bomb“), diente aufgrund seiner Größe in einem preußischen Garderegiment in Berlin und befand sich auf Heimaturlaub. Seit fast einem Jahr war er mit Maria Anna, geb. Baier, aus der Lauterbacher Straße verheiratet. Sie wohnten zur Miete in der Bahnhofstraße und alles war in bester Ordnung. Am nächsten Tag sollte ein einheimischer Kriegsveteran beerdigt und die üblichen drei Ehrensalven über dessen Grab abgeschossen werden. Um mit Reservisten Salutschüsse zu üben, ging Josef am Abend mit seinem Gewehr zu „Wirts“. Seine Frau indessen kaufte noch Brot beim Oberländer Backmann, um danach ihre Eltern zu besuchen. Später wollten sie sich dann dort treffen. Bei Josef blieb es allerdings nicht nur beim Üben, mit seinen alten Kumpels löschte er auch eifrig seinen Durst. Infolgedessen kam er mit gehöriger Verspätung bei „Baiesch“ an und befand sich in bierseliger Stimmung. Mit dem Gewehr in der Hand ging er gar nicht auf die Vorwürfe seiner jungen Frau ein, sondern fragte sie übermütig, ob er mal schießen solle. Den Warnungen der Anwesenden, das Gewehr könne geladen sein, begegnete er mit einem unbekümmerten „Ach was!“ und feuerte aus kürzester Entfernung seiner Frau eine Schrotladung ins Gesicht. Schlagartig war er nüchtern und es herrschte große Bestürzung. Der eiligst herbeigerufene Landarzt Dr. Lang war machtlos. Noch in der Nacht wurde die Schwerverletzte mit einem Fuhrwerk ins damalige Landkrankenhaus nach Fulda gebracht, war aber auch dort nicht mehr zu retten.
Josef war untröstlich. Zunächst wollte er „ins Wasser“ gehen, später versuchte er sich herauszureden, aber der Tathergang war klar bezeugt. Am 11. August 1897 schließlich wurde er vor dem Großenlüderer Amtsgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Nach Verbüßung seiner Strafe ging er schuldbeladen nach Westfalen, gründete dort eine neue Familie und kam nie mehr nach Großenlüder zurück. Einheimische Westfalengänger auf Heimaturlaub wussten aber zu berichten, dass Josef sein Heimweh nie verbergen konnte…
Quellen: Zeitzeugin Anna Kaub, Fuldaer Kreisblatt von 1897, Nr. 18, 28 u. 94.

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