Eindrücke eines „Flüchtlingskindes“


Eindrücke eines „Flüchtlingskindes“ – oder
„Ich heirate einen Bauern.“
Petra Schmidt-Ertelt: Eine Liebeserklärung an das Dorf und seineMenschen (3)

Ich hatte schon im Kindergarten viele Freundschaften schließen können, war längst in der Schule und bereits zur Kommunion gegangen, hatte in der Lüder schwimmen gelernt, kannte das Dorf gut und zum großen Unmut meiner Mutter beinahe jeden Stall bestens. „Du warst wieder im Stall, du stinkst!“, das bekam ich nicht selten zu hören…
Zu meiner Aufgabe gehörte es, täglich die Milch bei Hendlers („Lohm-Mellesch“) zu holen. Immer gab es einen großen Schluck zusätzlich in die Milchkanne. – Und da war Hermann, mein Kinderfreund, der mir alles über die Landwirtschaft und die Tiere erklärte. Für mich stand fest, ich heirate einen Bauern. Bei nächtlichen Sommer-gewittern versteckten Hermann und ich uns in größter Panik unter der Bettdecke in Hermanns Bett, bis Maria, die größere Schwester, uns tröstete. Wenn Annelies kam, die ganz große Schwester, die energische, da wussten wir, alles wird gut. Für den viel zu frühen Tod von Hermann finde ich bis heute keine Worte…
Samstags bezahlte ich unsere Milch, unsere Mutter gab mir das Milchgeld passend. Frau Hendler schob mir immer mal 5 oder 10 Pfennige zurück: „Für dich.“ Taschengeld – das kannten wir nicht, wie wohl alle Kinder damals. Oben an der Breite Brücke gab es ein kleines Geschäft. Mit schrecklich schlechtem Gewissen kaufte ich mir davon Malzbonbons, aufgereiht an einem Baumwollfaden. Herr Schmitt nahm die Schere, schaute mich an und die Schere rutschte zwei oder drei Bonbons höher zum Abschneiden: Kinderglück. Anschließend leistete ich Abbitte beim Hl. Josef, da das Geld eigentlich zuhause gebraucht worden wäre…
Bei „Back-Schniedesch“ hing eines Tages ein kleines Weihwasserbecken im Schaufenster. Ein feuerrotes flammendes Herz. Ich musste es für unsere Mutter haben. Jede Woche ging ich hinein, um zu fragen, was es kostete, und zählte meine gesparten Pfennige. Immer in Angst, es könnte verkauft sein. Irgendwann fragte Herr Brähler mich, wie viel ich gespart hätte. Eine Woche später verkaufte er es mir, schlug es in weiches Seidenpapier ein und überreichte es mir feierlich…

Großenlüder in Vergangenheit und Gegenwart
Unterstützen Sie uns bitte bei unserer Arbeit! Alte Fotos und Geschichten sind wichtige Zeitzeugnisse.
Stellen Sie deshalb Ihre alten Bilder zur Verfügung und erzählen Sie uns Ihre Geschichte(n)!
Ihr Eigentum bekommen Sie selbstverständlich wieder wohlbehalten zurück.

Kultur,- Heimat- und Geschichtsverein der Gemeinde Großenlüder e.V.
Wer unsere Arbeit unterstützen möchte, der wende sich bitte an
Thomas Mohr, Tel. 8544, thmohr@online.de, Michael Michel Tel. 8848
Klaus Schmitt, Tel. 8241, vkschmitt@web.de, Andreas Ruhl, Tel 620110, andreasruhl@gmx.net

Oder jeden Montag von 10 bis 12 Uhr im Heimatmuseum, Tel. 9110350