„Schelle Faednand“, ein Original der besonderen Art


„Schelle Faednand“, ein Original der besonderen Art
– Nach den Aufzeichnungen von Gerhard Dietrich –

Ferdinand Dietrich, genannt „Schelle Faednand“, galt im Dorf als Sonderling. Man hielt ihn zwar für einen intelligenten Mann, weil er aufgrund seiner distanzierten Art aber kaum Kontakte zu seinen Mitmenschen zuließ, sahen ihn viele als kauzig an. Insgesamt fiel er zudem in mancher Hinsicht aus dem Rahmen, war der ledige Mann doch nicht nur menschenscheu, sondern auch auffällig fromm, keusch und übervorsichtig.
Als ältester Sohn hatte er ursprünglich als Hoferbe gegolten. Als Kriegsversehrter aus dem 1. Weltkrieg zurückgekommen – ein Arm war nur noch eingeschränkt zu gebrauchen – durfte er im Dritten Reich aufgrund der damals gültigen Erbhofgesetze sein Erbe jedoch nicht mehr antreten. Vielmehr übernahm sein jüngerer Bruder den Hof, und Ferdinand musste sein Leben als helfender Familienangehöriger fristen. Ob und wie er dieses Schicksal verarbeitet hatte, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Vermutlich half ihm dabei aber sein starker Glaube. Sang er doch bei jeder Gelegenheit „Großer Gott, wir loben dich“ und man weiß, dass er selbst bei der Feldarbeit innehielt, um den „Engel des Herrn“ zu beten, wenn die Kirchenglocken zur Mittagszeit ertönten. Das Gleiche passierte, wenn zur Nacht geläutet wurde. Wenn er allerdings sein Fahrrad in Bahnhofsnähe über die Gleise trug, um eine „Acht“ zu vermeiden, rief das natürlich bei seinen Mitmenschen Kopfschütteln hervor. „Schelle Faednand“ indes ließ sich nicht beirren.
Von Überzeugungen und Gewohnheiten war er nämlich kaum abzubringen. Gesundheitlich lebte er übrigens ganz nach der durchaus verbreiteten Devise „Heu heilt“. So machte er regelmäßig Heusamen-Fußbäder und glaubte daran, dass man bei Erkältung oder Grippe nur ein paar Tage im Heu schlafen musste.
Im Hochsommer hatte er eine Angewohnheit entwickelt, die immer gleich ablief. Nach getaner Arbeit machte er sich meist mit beginnender Dämmerung zwecks Abkühlung und Reinigung zur Lüder auf. Er steuerte das Männerbad an, allerdings von der Dorfseite her. Das war für ihn nicht nur kürzer, sondern hatte den Vorteil, dass das auf dieser Seite unbefestigte Ufer mit Bäumen, Büschen und Pflanzen dicht bewachsen war. Da er sich keine Badehose leisten konnte, wartete der keusche Ferdinand bis die „Luft“ rein war, dann brach er sich ein großes Blatt ab, zog sich versteckt seine Unterhose aus, hielt sich das Blatt vor sein „bestes Stück“ und stieg an einer ihm bekannten Stelle in den Fluss. Vom Wasser aus legte er das Blatt ans Ufer, wusch sich und schwamm, notgedrungen „einarmig“, bis zur „ersten Wurzel“. Dies war eine markante Stelle auf halber Strecke zur „Insel“ in Richtung Uffhausen. Bevor er aus dem Wasser kam, nahm er das abgelegte Blatt, hielt dieses wie zuvor an die beschriebene Körperstelle, stieg aus dem Wasser und zog sich, versteckt hinter einem Busch – wie damals meist üblich – selbstverständlich die dreckige und verschwitzte Wäsche wieder an…

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