Vertreibung und Neubeginn
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Vertreibung und Neubeginn
Flüchten und Vertreiben, Vertreiben und Flüchten – diese Geißel der Menschheit zieht sich wie ein roter Faden durch die menschliche Geschichte bis in unsere Gegenwart.
Mit einem Projekt wollte der Kultur-, Heimat- und Geschichtsverein an das unvorstellbare Leid erinnern, das im Winter 1945 begann: die Flucht und Vertreibung von mehr als 13 Millionen Menschen aus ihrer Heimat im Osten.
Familien, seit Jahrhunderten in ihren Heimatgebieten verwurzelt, brav und fleißig durch Generationen hindurch, werden über Nacht rechtlos, ehrlos, besitzlos und wehrlos. Flüchten die ersten – nicht unbegründet – aus Furcht vor der Roten Armee, so trifft es die anderen noch Jahre nach dem Ende der Kampfhandlungen, pauschal, ohne Ansehen und Berücksichtigung ihrer Vergangenheit.Schließlich gelangen viele, in Güterzügen zusammengepfercht und ihres Besitzes beraubt, gedemütigt in ihnen unbekannte Gebiete des zerteilten Reiches.
Die uns freundlicherweise zur Verfügung gestellten Erlebnisberichte sind für dies alles Zeugnisse.Mit Lastwagen brachte man sie, die Flüchtlinge, aus Fulda, in unsere Gemeinde. Großenlüder wurde vom unmittelbaren Kriegsgeschehen zwar nur gestreift, aber in fast jedem Haus gab es gefallene oder vermisste Soldaten und andere Kriegsopfer zu beklagen. Die Wohnungen waren eng geworden durch Zuflucht Suchende aus den großen Städten und anderen betroffenen Gebieten. Die Flüchtlinge kamen zu Menschen, deren Hilfsbereitschaft stark strapaziert worden war und deren materielle Möglichkeiten begrenzt waren.
Und es geschah ein Wunder! Es gelang, nicht gleich, nicht überall, aber dennoch: Man rückte noch einmal zusammen!
Es entstand Vertrauen, das die Besitzlosigkeit leichter ertragen ließ. Siedlungsland wurde verfügbar. Die ersten Flüchtlinge wagten, eigene Häuser zu bauen. Betriebe wurden gegründet. Neue Arbeitsplätze brachten zuverlässige Einkommen. Liebes- und Ehebande wurden auch zwischen Einheimischen und Zugereisten geknüpft. Und schließlich ergab sich das, was niemand zu träumen gewagt hatte:
Die neuen Mitbürger verwanden den Verlust der alten Heimat und integrierten sich und machten Großenlüder zu ihrer neuen Heimat.Der Kultur- Heimat- und Geschichtsverein hofft, mit diesem Projekt auf einen bedeutenden Abschnitt der Heimatgeschichte hingewiesen zu haben.
Dank sagen wir allen, die uns bei dieser langwierigen Arbeit unterstützt haben.
Die Vertriebenen in unserem Ort sind in der überwiegenden Zahl aus dem Sudetenland zu uns gekommen. So ist bei unseren Nachforschungen überwiegend das Gebiet Böhmen und Mähren behandelt worden.
- Date: 29. Juli 1995
- Category: Ausstellungen, Heimat, Projekte, Schriften