„Es is Goddes Welle – en Mann on kei Kist“


„Es is Goddes Welle – en Mann on kei Kist“

Da wir in den vorausgegangenen Artikeln dieser Serie schon ausführlich auf die Tradition der „Westfalengänger“ in unserer Gemeinde eingegangen sind, sei hier nur Folgendes vorweggeschickt: Maurer verließen ihr Zuhause in Großenlüder normalerweise um den Aschermittwoch herum und kehrten im Laufe des Dezembers erst wieder zurück, so dass sie die „Schlechtwetterzeit“ im Kreis ihrer Familie verbringen konnten. So verhielt es sich auch – es muss noch vor dem Ersten Weltkrieg gewesen sein – mit den beiden Nachbarn, „Jule Koarl“ (Karl Brähler) und „Schwobe Hannese“ (Johannes Becker), aus der Goldgrube in Großenlüder.
Endlich war eines langen Jahres Arbeit geschafft und man saß gemeinsam mit anderen Kollegen aus Großenlüder wieder im Zug nach Hause. Entsprechend ausgelassen war die Stimmung – zugegebenermaßen hatten kreisende Schnapsflaschen ihren Teil dazu beigetragen. In Gießen galt es schließlich noch einmal umzusteigen. Die damit verbundene Wartezeit verbrachte man Dank Alkohol bei bester Laune im Wartesaal. Großenlüderer Platt war in aller Munde. Irgendwann hatte man die Zeit vergessen, und die Hektik und Rennerei war groß, als alle auf einmal losstürzen mussten, um den Zug noch zu kriegen. So kam es, dass „Jule Koarl“ sich einfach irgendeinen der riesigen Holzkoffer („Kist“ genannt) griff und losstürmte. Es „Hannese“ aber suchte und suchte nach seiner „Kist“, und als er sich endlich entschlossen hatte, einfach den letzten Koffer (notgedrungen den von „Jule Koarl“) mitzunehmen, war der Zug schon weg…
Dass sein Nachbar den Zug verpasst hatte, war dem „Jule Koarl“ zwar aufgefallen, dass er jedoch den falschen Koffer mitgebracht hatte, bemerkte erst seine Frau, das aber sofort, nämlich in dem Moment, als er ihr kurz vor Mitternacht unter die Augen getreten war. Wie groß war da das Gezeter: „Bo hoste de Kist gelosse? Bos solls nur gah? Ihr Suffköpp!“ Irgendwann packte Karl sie und schrie:“Källe nä, Grätche! Es is Gottes Welle. Füch dich! Du host halt en Mann on kei Kist, Do is de Schwobe Lisbätt schlemmer dro, de hott e Kist on känn Mann.“
Und tatsächlich „fügte Gott“ am nächsten Tag mit der Ankunft von „Schwobe Hannese“ und dem vermissten Koffer zusammen, was zusammengehörte. Somit war alles wieder gut – auch für „Jule Grätche“.
(Frei erzählt nach Ferdinand Klitsch, Die Westfalengänger mit vertauschten Kisten, in: Buchenblätter vom 10. März 1966.)

Großenlüder in Vergangenheit und Gegenwart
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