Ein Haus für die Armen
Vor dem I. Weltkrieg gab es noch kein Sozialsystem, das mit dem heutigen auch nur annähernd vergleichbar gewesen wäre. Deswegen unterhielt die Gemeinde direkt unterhalb der Kirche ein sog. Gemeindehaus, in dem zumeist alleinstehende, mittellose Männer kostenlos Unterkunft fanden. Ein Raum des Hauses war reserviert für durchziehende Bettler, der Rest stand Einheimischen zur Verfügung. Drei der langjährigen Bewohner, „Kresse-Hannes“, „es Saeu-Heiche“ (Heinrich) und „es Philippche vom Windhof“, hinterließen so viele Eindrücke, dass sie hier erwähnt werden sollen. Gemeinsam war ihnen, dass eigentlich niemand ihre richtigen Identitäten kannte. Sie bettelten nicht direkt, sondern hatten bestimmte Familien, bei denen sie bevorzugt vorsprachen. Von was sie sich ernährten, blieb jedoch ihr Geheimnis, aber für ein Schnäpschen waren sie allemal empfänglich. Klagen hörte man sie nie, nur auf Spott reagierten alle sehr heftig. An Sonn- und Feiertagen sah man sie übrigens nur sehr selten – einfach, weil sie keine „guten Kleider“ hatten.
Der „Kresse-Hannes“ war als Invalide aus dem Frankreichfeldzug (1870/71) heimgekommen. Von einer Schussverletzung hatte er u. a. einen schiefen Mund davongetragen. Es „Hannesee“, wie er oft genannt wurde, war wohl der ärmste von den dreien, weil er vollständig arbeitsunfähig war.
„Es Saeu-Heiche“ war der Schweinehirt des Dorfes. Wenn die Witterung es zuließ, trieb er die Mutterschweine auf die Weide am „Saeukippel“ (Grahberg). Nach etwa vier Stunden kehrten sie am Nachmittag ins Dorf zurück. Ohne jedes Zutun des Hirten fanden sie ihren Hof wieder. Entlohnt wurde es „Heiche“ ausschließlich mit Naturalien, die noch dazu in den Wintermonaten ausblieben.
„Es Philippche“ war mal eine Zeitlang am Windhof untergekommen (deshalb „vom Windhof“). Ihm ging es noch am
besten von den dreien. Durch Holzsägen und gelegentliches Hasenschlachten bei alten Leuten verdiente er sich so manchen Groschen. Zudem gab es dabei auch hin und wieder mal ein Schnäpschen. (vgl. P. Klitsch, Erinnerung an längst vergangene Tage, o. D., Archiv Heimatmuseum.)
Großenlüder in Vergangenheit und Gegenwart
Unterstützen Sie uns bitte bei unserer Arbeit! Alte Fotos und Geschichten sind wichtige Zeitzeugnisse.
Stellen Sie deshalb Ihre alten Bilder zur Verfügung und erzählen Sie uns Ihre Geschichte(n)!
Ihr Eigentum bekommen Sie selbstverständlich wieder wohlbehalten zurück.
Kultur,- Heimat- und Geschichtsverein der Gemeinde Großenlüder e.V.
Wer unsere Arbeit unterstützen möchte, der wende sich bitte an
Thomas Mohr, Tel. 8544, thmohr@online.de, Michael Michel Tel. 8848
Klaus Schmitt, Tel. 8241, vkschmitt@web.de, Andreas Ruhl, Tel 620110, andreasruhl@gmx.net
Oder jeden Montag von 10 bis 12 Uhr im Heimatmuseum, Tel. 9110350