Dorfgedächtnis, – Tauschgeschäfte, Kindheitserinnerungen von Reinhold Geiling –

– Tauschgeschäfte, Kindheitserinnerungen von Reinhold Geiling –

Nur wenige Tage, nachdem die Amerikaner unser Dorf im Frühjahr 1945 besetzt hatten, war allen klargeworden: Wer es nicht mit den Nazis gehalten hatte und wer keinen Widerstand leistete – man denke nur an die Erschossenen vom Tannenhof – der hatte nichts zu befürchten. Insbesondere gegenüber Kindern waren die meisten Soldaten freundlich und großzügig. Kaugummis, Süßigkeiten, Schokolade – irgendetwas gab es immer.
Noch eine zweite Sache hatte sich herumgesprochen: Die Amerikaner waren wie verrückt hinter frischen
Nahrungsmitteln her. Anscheinend waren sie ihre Konserven allmählich satt. Besonders Eier hatten es ihnen angetan. Das weckte natürlich unter den Jugendlichen Begehrlichkeiten…
In Reinholds Nachbarschaft hatten die Amerikaner das Haus von „Röder-Heile“ beschlagnahmt. Der Familie war allerdings erlaubt, tagsüber das Vieh zu versorgen. Dabei hatte „Röder-Heile“ Paul über Ostern eine ansehnliche Menge an Eiern eingesammelt. Mit diesen Eiern und der Bitte, sie bei den Amis gegen Schokolade einzutauschen, wandte er sich deshalb an Reinhold und dessen Freunde. Nachher würde brüderlich geteilt. Das ließen sich die Jungs nicht zweimal sagen. Umgehend zogen sie los. Auf den Wiesen zwischen „Kähwiese“ und „Scholbäckesch“ (Familie Heller) wimmelte es nämlich nur so von Amerikanern.
Unzählige Jeeps, Panzer und Militär-LKW waren dort abgestellt. Kaum hatten die Jungs dort ihre Tauschware gezeigt, wurde sie ihnen auch schon aus den Händen gerissen. Überglücklich und die Taschen voller Süßigkeiten kehrten sie zurück. Die Schätze wurden geteilt und für den Moment konnten sie alle einmal im Überfluss schwelgen – zum ersten Mal in ihrem Leben.

Großenlüder in Vergangenheit und Gegenwart
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Repro: Hubert Brähler