Dorfgedächtnis, Nachkriegszeit: Gefährliches Spiel


Nachkriegszeit: Gefährliches Spiel

Von Zeitzeugen wissen wir, dass Wehrmacht und US-Armee an den verschiedensten Stellen im Ort nach dem Krieg Munition zurückgelassen hatten. „Es log jo olles vool“, weiß Werner Bickert zu berichten. Nach kurzer Zeit waren jedenfalls die militärischen Hinterlassenschaften von Jugendlichen ausgekundschaftet worden – hatten sie doch von Ostern 1945 bis in den Herbst hinein keinen Unterricht und somit viel Zeit – und waren deshalb in den ‚Besitz‘ gefährlichen ‚Spielzeugs‘ geraten.
Zum Teil wurde Schießpulver ja wenigstens noch sinnvoller Verwendung zugeführt. Bickert erinnert sich: „Mir hatte jo nischt.“ Es gab nicht einmal Streichhölzer. Also musste man sich etwas einfallen lassen. Granaten und Patronen wurden geöffnet, das Pulver gesammelt und zu Hause, in manchen Familien über ein Jahr lang, zum Feuermachen verwendet. Ein beliebter Treffpunkt für die männliche Dorfjugend war ein Bau- und Munitionszug, der vom Bahnhof aus zum Schutz des Dorfes vor möglichen Luftangriffen in Richtung Bimbach geschoben worden und entgleist war. An einem Sonntagmittag wurde dieser von jugendlichen Munitionssammlern in die Luft gesprengt. Laut Helmut Völlinger gab es „Flammen, so hoch wie der Kirchturm“. Selbst das in der Nähe befindliche Gebäude der Blockstelle fing Feuer. Zum Glück wurde aber niemand verletzt und die von der Hilfspolizei eingeleitete Untersuchung verlief ergebnislos.
Aber immer wieder wurden Jugendliche verletzt. So fanden Helmut und seine Freunde in der Nähe der Grotte ein Depot mit Karabiner-Munition, zum größten Teil Platzpatronen. Sie warfen ganze Kisten ins Feuer, gingen in Deckung und hatten ihre Freude an der Detonation, bis eines Tages einer seiner Freunde einen Splitter in den Oberschenkel bekam, an dem er wochenlang „dran rum laborierte“. Die Eltern durften davon natürlich nichts erfahren … Andere hatten weniger Glück. So Frans Krebs, der Sohn eines sudetendeutschen Ehepaars. Wie aus dem Nachlass Emil Leisters hervorgeht, hatten die Jugendlichen im Jahr 1946 auf dem Gelände der Ziegelei eine Handgranate entschärfen wollen. Diese explodierte jedoch und riss Frans beide Hände ab. Er verstarb am Tag darauf – wahrscheinlich an den Folgen des Blutverlusts.
Das letzte Unglück dieser Art geschah im Jahr 1954. Durch Hantieren mit Flakmunition kam es zu einer Explosion. Ein Splitter durchschlug die Halsschlagader des 15-jährigen Helmut Schlitzer und tötete ihn. Ein Gedenkstein am ‚Beimezerle‘ erinnert noch heute an das tragische Geschehen.

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Repro: Hubert Brähler