Dorfgedächtnis, „Franze“ Ernst und die „Spitfire“


„Franze“ Ernst und die „Spitfire“
– Nach den Erinnerungen von Erich Dietrich –

Lange Zeit gab es in der Schlitzer Straße eine gutgehende Gaststätte, die im Dorf fast nur „Franze“ genannt wurde. Zeitweise hatte man nebenan sogar noch eine Metzgerei zu bieten. Zudem gab es für Veranstaltungen einen großen Saal, in dem während des Krieges die französischen Kriegsgefangenen untergebracht waren. Später konnten Jugendliche in „Franze“ gar ihre ersten Kinofilme sehen. Nicht wenige lernten so bei ihnen in den 60er Jahren u. a. Winnetou und Old Shatterhand kennen.
Wieder ein paar Jahre später machte der „Doppeldecker“ im Kreisgebiet und darüber hinaus von sich reden. Es gab gute Musik, und Life-Auftritte von Blues- und Rockbands lockten das junge Volk aus der Umgebung an…
Von dem langjährigen Gastwirt, „Franze“ Ernst (Ernst Malkmus), erzählt man sich folgende Anekdote: Zu Kriegszeiten war zum Schutz gegen Luftangriffe Verdunklung verordnet worden. Und die Aufgabe, zu kontrollieren, dass diese überall eingehalten wurde, oblag dem Hilfspolizisten Müller, der in der Nähe des Bahnhofs wohnte. Eines Abends kam er auf seiner Runde wieder einmal durch die Schlitzer Straße und sah schon von Weitem bei „Franze“ Lichtschein auf die Straße fallen. Tatsächlich stellte sich heraus, dass ein Fenster ein ganzes Stückweit offenstand. Ungehalten über dieses Fehlverhalten, stürzte er in die Kneipe und stellte Ernst zur Rede. Dieser stand hinter der Theke und war gerade dabei, für die Metzgerei Messer zu wetzen. Der Wirt blieb völlig gelassen, während Müller mit wichtiger Miene erklärte: „Das Fenster muss sofort geschlossen werden, sonst könnten die englischen Spitfire [Jagdflugzeuge] angelockt werden und das Dorf …“ Weiter kam er nicht. In seiner unnachahmlichen Art gab Ernst zur Antwort: „Källe nä, stell dich net so oh! Bann he e ‚Schpitfeier‘ nie fliert, dann stech ich se ob.“ Mit dem Messer in der Hand untermalte er dabei durch die entsprechende Bewegung seine Rede, und damit war für ihn die Sache erledigt. Müller musste sich somit unter dem Gespött der abendlichen Stammgäste auf den Rückzug begeben.

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Repro: Hubert Brähler