Dorfgedächtnis, Ferdi alias „Fuste Kull“ (2) oder: Ferdi und die Amis


Ferdi alias „Fuste Kull“ (2)
oder: Ferdi und die Amis

Will man Ferdis Auseinandersetzung mit den amerikanischen Besatzungssoldaten auf den Grund gehen, kommt man an Ferdinand Klitschs Artikel „Als die Amerikaner kamen“ aus dem Jahr 1967 nicht vorbei. Zudem sollte man wissen, dass eine der ersten Anordnungen der Besatzungsmacht – nach ihrem Einrücken am Gründonnerstag 1945 – die Verhängung einer Ausgangssperre war. „Da war nun Ferdi, damals noch ein harter und verwegener Bursche…“, so Klitsch, den das alles nicht interessierte und der trotzdem mit seinem Rad losfuhr. Am unteren Kirchberg wurde er schließlich von einem Doppelposten gestellt. Und die Soldaten machten tatsächlich Ernst. Klitsch berichtet weiter, dass Ferdi ihnen sein Rad vor die Füße warf und losrannte. Die GIs jagten feuernd hinter ihm her. Für Ferdi entwickelte sich seine abendliche Unternehmung zu einem „Dauerlauf auf Leben und Tod“. Sein Ziel war der Friedhof, weil er zu wissen glaubte, dass die „Amis“ die Friedhofsruhe respektieren würden. Und wirklich, sie stoppten an der Friedhofsmauer ab, als er „völlig ausgepumpt hinter einem breiten Grabstein in Deckung ging“. Dass sie aber von der Mauer aus unaufhörlich schießen würden, damit hatte er nicht gerechnet. Ein Treffer ließ nicht lange auf sich warten. Das Geschoss zerschmetterte ihm Unterarm und Hand. Trotz des Blutverlustes gelang es ihm noch im Schutz der Nacht nach Hause zu entkommen, aber durch seine Verletzung kamen die Soldaten schnell auf seine Spur. Noch in der Nacht wurde er verhaftet und bei harter Behandlung und dürftiger Verpflegung eingesperrt. „Eine steife Hand erinnert Ferdi für immer an sein denkwürdiges Abenteuer…“, so schließt Klitsch seinen Artikel ab.
Aber wie sich um seine Person immer wieder die unterschiedlichsten Gerüchte rankten, wurde die Ursache seines
Zusammenstoßes mit der Besatzungsmacht schon bald mit einer anderen Version der Geschehnisse erklärt, die „de
Kull“ wohl selbst auf einem Saufgelage in der „Hölle“ („Scholbäckesch“) in Umlauf gebracht hatte. Nach dieser
Variante hatte er, ganz der Held, den Besatzungssoldaten einen mit Bohnenkaffee beladenen Jeep geklaut, war entdeckt und verfolgt worden. In Friedhofsnähe hatte er den Jeep aufgeben und sich verstecken müssen. Selbst seinen Aufenthalt auf dem Friedhof hatte er mit einem „Farbtupfer“ noch etwas „aufgepeppt“, was aber hier nicht weiter ausgeführt werden soll…
Welche Lesart nun die richtige ist, lässt sich heute wahrscheinlich nicht mehr klären. Zweifelsohne wäre Ferdi die Sache mit dem Jeep zuzutrauen gewesen, aber dennoch erscheint sie als die weniger wahrscheinliche. Die Wahrheit kennt heute, lange nach Ferdis Ableben, ohnehin nur noch der Himmel oder allenfalls noch die „Hölle“.

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