Dorfgedächtnis, „Es Ritze Koalle“ in aller Munde


„Es Ritze Koalle“ in aller Munde –
oder: Besser als (gar) kein Zahnarzt

Zu Zeiten, als in unserer Gegend noch keine ausgebildeten Zahnärzte ansässig waren, wäre die Not in der Bevölkerung groß gewesen, hätten sich nicht hier und da geschickte Handwerker – quasi im „Nebenerwerb“ – um die Zähne ihrer Mitbürger „gekümmert“. So war auch „es Ritze Koalle“ (Karl Leinweber) aus Uffhausen weit über die Ortsgrenzen hinaus dafür bekannt geworden, schmerzgeplagten Menschen zuverlässig ihre „Quälgeister“ ziehen zu können. Zugleich munkelte man, dass er aus seiner blutigen Nebenbeschäftigung eine regelrechte Leidenschaft entwickelt hatte, die ihm anscheinend obendrein enormes Vergnügen bereitete. Was aber die Leute auch von entfernteren Dörfern zu ihm hinpilgern ließ, war sein Ruf, niemals einen gesunden Zahn gezogen zu haben…
Dabei gehörten „seine Instrumente“ eher in eine herkömmliche Werkstatt als in eine Zahnarztpraxis. Vorneweg gab es da diverse Zangen und dazu einen Hammer, für den Notfall auch reißfeste Schnüre oder gar eine Art Helm aus Holz gefertigt – und Schnaps zur Desinfektion und zur Schmerzlinderung – für vorher und hinterher. Eine für seine Passion besonders geeignete, vernickelte Zange soll er, eingewickelt in ein weißes Läppchen, immer bei sich getragen haben. Die reißfeste Schnur kam übrigens dann zum Einsatz, wenn er mit der Zange nicht weiterkam. Dazu war allerdings noch eine Tür vonnöten, an deren Klinke man das andere Ende der Schnur befestigte, um sie dann zum ruckartigen Herausziehen des Zahnes zuzuschlagen. Man kennt diese Methode üblicherweise sonst eher von der Milchzahnentfernung her.
Der Holzhelm wurde den Patienten im Übrigen nur in ganz schwierigen Fällen aufgesetzt. Dabei wurde mit dem Hammer so lange auf den „Helm“ eingeschlagen, bis „es Koalle“ in aller Ruhe am Patienten arbeiten konnte. Diese Methode hatte den Vorteil, dass man jederzeit noch einmal kurz „nachschlagen“ konnte…
(Frei erzählt nach Hubert Rützel: „Hannes, duck dich där woerft“, Hosenfeld 1994, S. 62 f.)

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Repro: Hubert Brähler