– Der verbotene Gruß, Kindheitserinnerungen von Reinhold Geiling –
Nachdem die letzten Wehrmachtsangehörigen aus unserem Dorf abgezogen waren, rückten am Gründonnerstag des Jahres 1945 die Amerikaner in Großenlüder ein. Viele Einheimische hatten Angst. Einige hatten gepackt und wollten noch flüchten. Aber wohin? Dementsprechend saßen die meisten in ihren Kellern und harrten der Dinge, die da kommen würden. Schlechter als vorher, konnte es ja wohl kaum werden. In den meisten Familien versuchte man alles so ‚normal‘ weiter laufen zu lassen, wie es möglich war.
So auch in der Familie Geiling. Also war es selbstverständlich, dass der zehnjährige Reinhold am Karfreitag – Amis hin oder her – um 10 Uhr zum Kreuzweg in die Kirche gehen musste. Auf dem Weg zum Gottesdienst begegneten ihm unterwegs überall amerikanische Soldaten und Militärfahrzeuge und er fühlte sich regelrecht „fremd“ im eigenen Dorf. Aber niemand kümmerte sich um den Jungen. Vor „Hannätches“ standen lässig fünf oder sechs schwer bewaffnete GIs herum und beobachteten die Straße. Reinhold wechselte schnell auf die andere Straßenseite und näherte sich dem Hauptportal der Kirche. In diesem Moment schritt sein Klassenlehrer, Herr Will, vom alten Küsterhaus herkommend, um die andere Kirchenecke ihm entgegen.
Mit einem Male riss der Junge, alter Gewohnheit folgend, den rechten Arm nach oben und grüßte laut und deutlich: „Heil Hitler, Herr Lehrer!“ Beide waren gleichermaßen erschrocken. Lehrer Will stürzte auf Reinhold zu, packte ihn am Kragen und zischte: „Das heißt jetzt ‚Grüß Gott, Herr Lehrer!‘“ Beide schauten verstohlen hinüber zu den gelangweilt wirkenden Soldaten. Anscheinend hatte keiner etwas mitbekommen. Also galt es für Reinhold jetzt, so schnell wie möglich in die Kirche zu kommen – zum Dankesgebet.
Großenlüder in Vergangenheit und Gegenwart
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Repro: Hubert Brähler