Die Schieber und der „gefräßige“ Holzvergaser


Die Schieber und der „gefräßige“ Holzvergaser
– Nach den Erinnerungen von Erich Dietrich –

Kurz nach dem Krieg, als das Geld mehr und mehr an Wert verlor und die Waren immer knapper wurden, begann die Blütezeit des Schwarzhandels. Für die Städter waren landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Schinken, Wurst, Speck, Käse, Eier etc. wahre Kostbarkeiten. Umgekehrt war man auf dem flachen Land an Fertigprodukten interessiert von Zigaretten über Süßigkeiten bis hin zur Schiefertafel. Kurzum, der Schwarzhandel lohnte sich, besonders, wenn man es bis in die großen Städte schaffte. Allerdings gab es so gut wie keine Autos, auch der Treibstoff war knapp. Also blieben meist nur Mitfahrgelegenheiten auf der Pritsche von Holzvergaser-LKWs, von denen es in und um Großenlüder ganze vier an der Zahl gab. Dazu muss man wissen, dass man sich bei einer solchen Fahrt auf ein unbequemes und je nach Jahreszeit kaltes bis eisiges, vor allem aber zugiges Abenteuer einließ.
Unter Schiebern wusste man natürlich, dass man nach Frankfurt wohl am ehesten mit dem „Schwarzmüller“ aus Uffhausen „reisen“ konnte. Aber es gab auch andere Gelegenheiten. Und von einer solchen – es muss wohl in 1946 gewesen sein – wollen wir hier berichten: Der Großenlüderer Ziegeleibesitzer hatte nämlich eines Tages seinen Fahrer August Heß aus Bimbach gebeten, seiner Schwägerin, der es akut an Lebensmitteln mangelte, ein riesiges Proviantpaket nach Bamberg (Hallstadt) zu transportieren. Damit sich die Fahrt mit dem LKW auch lohnte, wurden sogleich potentielle Schieber angesprochen, die sich das Geschäft auf dem dortigen Schwarzmarkt nicht entgehen lassen wollten.
Am Morgen der Abfahrt standen auch tatsächlich einige junge Männer und Frauen bereit. Wegen möglicher Polizeikontrollen hatte man vereinbart, dass alle Mitfahrer ihre Schätze in Kartoffelsäcken mitbrachten, damit diese unter den Säcken mit Buchenholz, dem Spaltholz für den Holzvergaser, nicht auffielen. Die jungen Leute machten es sich auf der Ladefläche so bequem, wie es nur irgend möglich war, während Heß und sein Beifahrer, Paul Hasenauer vom Obertor (alias „Bombenschreck“), im Führerhaus Platz nahmen.
Paul freute sich auf eine sehr angenehme Fahrt. Hatte er doch den jungen Männern erklärt, wie „nachgefeuert“ werden musste. Sie hatten ausgemacht, dass er bei Bedarf ans Fenster klopfen würde. Kurz vor Bamberg, bis dahin hatte er so gut wie nichts zu tun gehabt und alles war reibungslos verlaufen, zog der LKW wieder nicht mehr richtig, Paul gab das vereinbarte Zeichen zum Nachfüllen und August rief: „Nur en klänne Sack, es is nemme wied!“ Und ab ging die Fahrt mit neuer Kraft. Der LKW qualmte zwar etwas stärker, dafür zog er aber umso besser.
„Bos is do los? Där get jo ob bes Gewitter!“, rief August. Wenig später klärte sich die Sache auf. Als nämlich in Bamberg jeder „seinen“ Sack nehmen sollte, fehlte einer, und eine junge Frau aus Großenlüder brach ob ihres finanziellen Schadens hemmungslos in Tränen aus, hatte man doch den Inhalt ihres Sackes verfeuert…

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Repro: Hubert Brähler