Die „Hölle“ (2): Was „Scholbaeckesch“ zur „Hölle“ machte…
– Nach den Aufzeichnungen von Gerhard Dietrich –
Gab es zu „besten“ Zeiten in der Kerngemeinde Großenlüder – bei deutlich weniger Einwohnern als heute – bis zu elf Lokalitäten, dafür aber kaum Fernseher, keine PCs, keine Handys und dergleichen, kann man sich leicht ausmalen, dass zu dieser Zeit der Erlebnishunger der (männlichen) Bevölkerung weitaus öffentlicher gestillt wurde als heute. Zugleich schlugen sich die nächtlichen „Heldentaten“ aus der Kneipenszene in der Gerüchteküche des Folgetages eins zu eins nieder, meist ohne Rücksicht darauf, dass darunter eine Reihe von Familien durchaus auch zu leiden hatte. In jedem Fall wurde über Saufereien, Schlägereien und Eskapaden aller Art „aufs Genaueste“ berichtet – Übertreibungen inklusive. Und die Wellen der Gerüchte aus „Scholbaeckesch“ schlugen meist etwas „höher“, mit der Folge, dass auch der Beiname „Hölle“ (ursprünglich übrigens abgeleitet vom Familiennamen „Heller“, d. h. dem der drei Gastwirts-Brüder Adam, Emil und Fritz) allmählich in aller Munde war…
An der Wand hing der „einarmige Bandit“, an dem so mancher Spieler sich austoben konnte. An den Zeitabständen, in denen beim Wirt Geldscheine gegen Münzen gewechselt wurden, konnte man ermessen, ob sie am Gewinnen oder Verlieren waren. Bis das Geld verspielt war, konnte es dauern. Wenn die Beine oder das Kreuz weh taten, musste ein Stuhl bei, und sie spielten im Sitzen weiter. Hatte man gewonnen, wurden Runden geschmissen, hatte man verloren, ließ man anschreiben. Getrunken wurde auf alle Fälle.
Die leidenschaftlichen Kartenspieler indes interessierte das Trara im Gastraum weniger, sie zogen sich irgendwann ins Hinterzimmer zurück und spielten ihre Glücksspiele dort weiter, denn es ging nicht um Kleingeld, es lagen vielmehr immer genügend Scheine auf dem Tisch. Manchmal wurde selbst über die Polizeistunde hinaus weitergespielt. Oft genug zockten sie in der Backstube, bis in die frühen Morgenstunden, wenn die Bäcker mit ihrer Arbeit schon längst begonnen hatten. Polizeikontrollen blieben nicht aus und führten dazu, dass man halt mal aus dem Fenster abhauen oder aus dem mannshoch über der Erde gelegenen Zuliefereingang für die Bäckerei in Richtung Metzgerei Gies flüchten musste. Jedenfalls wurde es selten jemandem langweilig und das Heimgehen fiel nicht wenigen Gästen der „Hölle“ schwer.
Falls Hunger aufkam, wurden Schwartenmagen-Brötchen oder Soleier gegessen. Vom Alkohol enthemmt, konnten auch mal die Fäuste fliegen, wenn es „alte Rechnungen“ zu begleichen galt oder man sich beim Spiel „übers Ohr gehauen“ fühlte. Meistens aber war es Ehrensache, dass der Gewinner seinen Kartenkumpels eine Runde ausgab. Bei hohen Gewinnen war sogar Sekt angesagt…
Wenn die samstäglichen „Höllenbesucher“ am Sonntagmorgen dann mit „dickem“ Kopf nach dem Hochamt zwecks Frühschoppen die umliegenden Wirtschaften aufsuchten, mussten sie selbstverständlich über ihre nächtlichen Erlebnisse berichten. Ihre dortigen Stammtischbrüder hörten ihnen gespannt zu, um später alles „brühheiß“ weiterzuerzählen.
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Repro: Archiv T. Mohr