„De Schlabberjacke“(2): Legendärer Solotanz

„De Schlabberjacke“(2): Legendärer Solotanz
– Nach den Aufzeichnungen von Gerhard Dietrich –

Wie schon im letzten Teil angedeutet, hatte Wilhelm Reith im Laufe der Jahre einen Solotanz entwickelt, auf den er durchaus stolz war. Im Übrigen weiß man von „Insidern“, dass er sich tatsächlich für einen guten Tänzer hielt. Sein Tanz war eine regelrechte Inszenierung, bei der er sich nicht nur in der richtigen Stimmung befinden musste, sondern auch bestimmte Voraussetzungen gegeben sein sollten. Er brauchte natürlich einen gehörigen Alkoholpegel, dazu „Assistenten“, ein paar weitere Utensilien und genügend Publikum – mit anderen Worten: Stimmung in der Bude.
Nach und nach entwickelte sich ein regelrechter Kult. Wenn alles passte und der beleibte Mann dann schon mit den Füßen auf dem Fußboden unter seinem Tisch anfing zu „dappeln“, war es das Zeichen, dass er bald starten würde. „Hä maecht sich woarm!“, wurde gebrüllt und die Musikbox auf volle Lautstärke gedreht. Wilhelm wurde angefeuert, endlich loszulegen.
Irgendwann sprang er auf die Füße und das Spektakel begann. Für seinen berühmt-berüchtigten „Stuhltanz“ griff er sich zwei Stühle an den Rückenlehnen. Er drehte sich damit im Kreis und machte mit und auf den Stühlen allerlei Figuren und Bewegungen – immer im Takt der Musik. Während des Tanzes geriet auch das Publikum zunehmend außer Rand und Band. Man schüttete Bier auf den Fußboden, damit dieser glitschig wurde. Und wenn der Wilhelm ausrutschte, hatte das großes Gelächter zur Folge. Ihm schien das jedoch mit zunehmender Dauer nichts mehr auszumachen. Er rappelte sich einfach auf und machte weiter.
Hing einmal die Schallplatte, bekam die Musikbox entweder einen Schlag oder wurde an der Ecke ruckartig angehoben und dann losgelassen. Der Wirt in „Scholbaeckesch“, oft der sonst recht unerschrockene Fritz, seines Zeichens ebenfalls Viehhändler, durfte das natürlich nicht mitkriegen und musste notfalls abgelenkt werden. Kurzum, irgendwann lief die nahezu unverwüstliche Musikbox wieder und das Gaudi konnte weitergehen. Wenn dann auch noch „de Krackeferschder“ (Wilhelm Kreis) mit seiner Teufelsgeige den Takt schlug, klatschte die Meute und grölte, als ob es kein Morgen mehr gäbe.
Falls „de Schlabberjacke“ mal eine Pause brauchte, gab es ein Ritual wie bei einem Boxkampf: Man setzte ihn auf einen Stuhl, mit einem nassen Schwamm wurde ihm der Schweiß aus dem Gesicht gewischt und mit einem Handtuch „Wind“ gemacht, um zu kühlen und zu trocknen – bis er wieder auf die Tanzfläche geschoben wurde. So hielt der übergewichtige Wilhelm erstaunlich viele „Runden“ durch und tanzte zur Belustigung der „Fans“ fast bis zur Erschöpfung. Am Ende fiel er geradezu auf seinen Stuhl und das Freibier floss für ihn in Strömen, angesichts seines Durstes und seines klammen Geldbeutels meist eine Wohltat. Leider zu spät, denn es brauchte nicht mehr lange, und „de Schlabberjacke“ saß auf der hinteren Eckbank und schlief den Schlaf des „Gerechten“.

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