„Alleweil“ wird „gemobbt“

„Alleweil“ wird „gemobbt“

Wie heute wurden Menschen zu allen Zeiten von der Gemeinschaft mehr oder weniger ausgegrenzt, als Opfer auserkoren und zum Spaß der „Täter“ schikaniert (neudeutsch „gemobbt“), wann immer sich die Möglichkeit dazu bot. So geschah es, dass in den 1870er Jahren ein altes Ehepaar in Großenlüder lebte, welches sehr bescheiden und zurückgezogen sein Dasein fristete. Sie waren sehr arm und lebten von Gelegenheitsarbeiten und den milden Gaben der Nachbarschaft. So weit, so gut.
Nun hatte der alte Herr aber die Angewohnheit, sich immer und überall in gewähltem Hochdeutsch auszudrücken. Damit fiel er im Dorf natürlich aus der Rolle. Zugleich pflegte er das Wort „alleweil“ bei jedem passenden und unpassenden Anlass zu verwenden, was ihm bald den Spitznamen „Alleweil“ eingebracht hatte. Damit war er allerdings mitnichten einverstanden, aber das kümmerte niemanden. Vielmehr hatte sich der Spitzname irgendwann in den Köpfen so festgesetzt, dass die meisten Leute gar nicht mehr wussten, wie der alte Sonderling wirklich hieß. Alles in allem wurde er zunehmend – im besten Fall – geneckt, meist aber geradezu gedemütigt.
Insbesondere die Dorfjugend tat sich dabei auf seine Kosten hervor. Seine Frau bekam auch ihr „Fett“ ab, aber meistens litt sie nur auf ihre stille Art mit ihm. Jugendliche waren es auch, die den Alten selbst nachts piesackten. Das schrullige Paar wohnte nämlich in einem baufälligen Haus, durch dessen beschädigte Außenwand man ihn regelmäßig mittels einer Bohnenstange im Schlaf pieken konnte. Wenn er dann sein „Frau, alleweil sticht es mich wieder“ hören ließ, klatschten sich die Jungs lachend auf die Oberschenkel und stürmten unerkannt davon. Eines Tages war das Maß voll. Der alte Herr hatte genug gelitten. Des Nachts erhängte sich der Unglückliche an einem Apfelbaum. In seiner Tasche fand sich ein Zettel mit der Erklärung: „Weil mich die Leute immer nur „Alleweil“ nannten, habe ich mich aufgehängt.“
(Quelle: Ferdinand Klitsch: „Der alte ‚Alleweil‘“, 11.10.1963, Museumsarchiv.)

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